Ausgabe 63 – September 2005
- Für Einzelpersonen: CHF 36.00 (PDF-Version ist nicht zur Weiterverbreitung berechtigt)
- Für Organisationen: CHF 98.00 (PDF-Version ist zur internen Weiterverbreitung berechtigt)
Menschen mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung sind eine sehr heterogene Personengruppe, über die sich keine verallgemeinernden Aussagen machen lassen. Neuere Begriffsbestimmungen bemühen sich darum, die Mehrdimensionalität von (geistiger) Behinderung aufzuzeigen, indem sie sich an der WHO Klassifikation orientieren und Begriffe wie Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit in ihre Definition einbeziehen. Diese Beschreibung legt nicht zuletzt auch grossen Wert auf die mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung einhergehenden, sozialen Aspekte. Neben den spezifischen Schädigungen von Körperstrukturen werden als Messgrösse für die Feststellung einer Behinderung auch die Partizipationseinschränkungen an der Gemeinschaft berücksichtigt. Damit sind jene gesellschaftlichen Bedingungen und Vorurteile gemeint, mit denen Behinderte zu kämpfen haben, wenn es zum Beispiel um Partnerschaft, Sexualität oder Kinderwunsch geht. Sexualität leben zu können, ist ein Lebensgrundbedürfnis des Menschen und gehört im weitesten Sinne zum Menschenrecht einer jeden Persönlichkeit. Dabei geht es nicht nur um die genitale Sexualität, sondern um Zuneigung, Erotik, Zärtlichkeit und Beziehungen leben zu können. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre belegen, dass die sexuelle Entwicklung und sexualpädagogische Begleitung für Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung ebenso wichtig ist, wie für jeden anderen Menschen auch. Die Berliner Behindertenberatungsgruppe «Sexybilities» ist eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen. Um das Tabuthema «Sexualität und Behinderung» zur Sprache zu bringen, trat sie an die Öffentlichkeit. Das Anliegen dieser Gruppe besteht unter anderem darin, auf die strukturellen Probleme, die sich beim Thema Sexualität etwa durch Mehrbettzimmer oder vorgegebene Schlafenszeiten in Institutionen ergeben, aufmerksam zu machen. Zudem weisen sie mit Nachdruck darauf hin, dass Menschen mit Behinderungen in Beratungsgesprächen zunehmend nach Vermittlung sexueller Assistenz, sei es durch Prostituierte oder professionelle Berührer fragen. Die Ausbildung von Sexualassistentinnen- und assistenten, auch BerührerInnen genannt, ist in diesem Sinne ein wichtiger Schritt, um Menschen mit Behinderungen ihre sexuelle Autonomie zu ermöglichen. Gleichzeitig wird uns hier der schmale Grat bewusst, auf dem sich all diejenigen bewegen, die als Eltern, Sozialarbeiter oder HeilpädagogInnen Menschen mit Behinderungen begleiten. Einerseits muss die selbstbestimmte Sexualität für Menschen mit Behinderungen (und für die Gesellschaft) zur Selbstverständlichkeit werden, andererseits muss man jene Betroffenen, auch das ist nach wie vor traurige Realität, vor sexuellen Übergriffen schützen.
Gilt für die Ausgaben Nr. 0 bis 93:
- Für Einzelpersonen: Ein Exemplar des Buches «Gutes Leben – gutes Sterben» von Denise Battaglia und Ruth Baumann-Hölzle (Hrsg.) im Wert von CHF 34.– ist gratis inbegriffen.
- Für Organisationen: Ein Exemplar des Buches «Ethikwissen für Fachpersonen» von Christof Arn und Tatjana Weidmann-Hügle (Hrsg.) im Wert von CHF 38.– ist gratis inbegriffen.