Ausgabe 123 – Oktober 2015
- Für Einzelpersonen: CHF 36.00 (PDF-Version ist nicht zur Weiterverbreitung berechtigt)
- Für Organisationen: CHF 98.00 (PDF-Version ist zur internen Weiterverbreitung berechtigt)
Wenn vor Gericht ein Urteil gefällt wird, so vereint dieser Akt die vielen Intuitionen, die mit dem Begriff der Urteilsfähigkeit verbunden sind: Da ist zum einen der Richter, der unter Abwägung aller Gründe und Sachverhalte eine Entscheidung fällt. Dies ist die Intuition der Vernunft, die mit Urteilsfähigkeit verbunden ist – ein rationales Vermögen, das sich auf komplexe intellektuelle Fähigkeiten stützt. Dann geht es um das Urteil selbst – also meist um einen Entscheid von Tragweite für alle Betroffenen. Dies ist die Intuition der Relevanz, denn Urteilsfähigkeit kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn Wichtiges entschieden wird, was das Leben von Menschen prägen kann. Drittens schliesslich gibt es einen Verurteilten, dem durch das Urteil ein Teil seiner Freiheit genommen wird. Dies kann die Intuition der Empörung wecken; das Gefühl, man werde nicht ernst genommen in seiner Freiheit. Es kann aber auch zur Intuition der Einsicht führen, wenn man erkennt, dass mit dem richterlichen Spruch der richtige Weg gefunden wurde, auch wenn dies eine Einschränkung für den Betroffenen bedeutet.
So gesehen ist es kein Zufall, dass dieses Bild der Rechtsprechung gewählt wird, um den juristischen Begriff der Urteilsfähigkeit zu umreissen. Doch natürlich kommt diese Fähigkeit nicht nur vor Gericht zum Zuge. Gerade im medizinisch-pflegerischen Alltag stellen sich oft Fragen der Urteilsfähigkeit – etwa wenn Meinungen aufeinanderprallen und Menschen involviert sind, die aus unterschiedlichen Gründen in ihrem Urteilsvermögen beeinträchtigt sind. Die Frage nach der Urteilsfähigkeit kann dann besonders heikel werden, denn sie rüttelt am Vertrauen zwischen den Betroffenen, die sich gegenseitig als mündige Menschen sehen wollen. So möchten wir in dieser Ausgabe des Thema im Fokus diesem Begriff und den damit aufgeworfenen Spannungsfeldern auf den Grund gehen. Das mag Ihre Urteilsfähigkeit sowohl stärken wie auch erschüttern – und das ist vielleicht gar nicht so schlecht.
Gilt für die Ausgaben Nr. 0 bis 93:
- Für Einzelpersonen: Ein Exemplar des Buches «Gutes Leben – gutes Sterben» von Denise Battaglia und Ruth Baumann-Hölzle (Hrsg.) im Wert von CHF 34.– ist gratis inbegriffen.
- Für Organisationen: Ein Exemplar des Buches «Ethikwissen für Fachpersonen» von Christof Arn und Tatjana Weidmann-Hügle (Hrsg.) im Wert von CHF 38.– ist gratis inbegriffen.